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Geschichten für den Gaumen
Letzten Freitag hat in der Heidelberger Altstadt ein sogenanntes Pop-up Restaurant eröffnet. Das Stories Pop-Up Kitchen, so wie es sich nennt, besteht nun für rund drei Monate im Spiegelsaal des Palais Prinz Carl. Das ist am Kornmarkt 1 – direkt neben dem Rathaus. Ich war als Medienmensch bei der Eröffnung zu Essen und Getränke eingeladen. Möglicherweise fällt durch die Einladung mein Bericht unbewusst positiver aus.
Diese Art der Gastronomie heißt so, weil sie für eine gewisse Zeit inszeniert wird und danach wieder aus diesen Räumlichkeiten verschwindet. Bekannt sind diese Restaurants die kurz aufpoppen und dann weiter ziehen aus den deutschen Großstätten. Meist findet dies an Orten statt, die verlassen waren oder sonst nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Das bringt neben der Kulinarik einen besonderen Reiz.
Die erste Ausgabe des Stories fand von Oktober 2018 bis Januar 2019 im ehemaligen Bahnbetriebswerk am Ochsenkopf in unmittelbarer Nähe zum Tankturm statt. Ich habe es trotz des Erfolgs leider verpasst. 3400 Menschen sollen die Veranstaltung an insgesamt 40 Terminen besucht haben.
Die Stories-Küche macht nun innerhalb der Rhein-Neckar-Region das zweite Mal halt und poppt wieder in Heidelberg auf. Das inszenierte Restaurant gastiert von Februar bis Mai im Spiegelsaal, in dem schon Kaiserin Sissi, Wolfgang von Goethe, Mark Twain und Jules Verne gefeiert haben sollen. Die Einrichtung wird während dieser Zeit mehrmals für Hochzeiten und andere Veranstaltungen im Spiegelsaal ab- und wieder aufgebaut werden müssen.
Wer macht das?
Die Macher sind Swen Schmidt, Daniel Marquardt, Sven Günther und Jens Schmidt. Sie sind unter anderem durch das Restaurant Neo und das gleichnamige Catering im Palais Prinz Carl bekannt. Küchenchef ist Max Krause. Die Restaurantleitung hat Peter Juhsus inne. Der gestalterischen Rahmen geht auf das Konto von Wolfram Glatz, vom Atelier Kontrast.
Gibt es ein Thema?
Als Thema für das Essen und Gestaltung wurde sich dieses Mal den Roman „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll gegeben. Das Personal und der Raum sind wie in einem Restaurant gestaltet und nicht überzogen inszeniert, wie man das bei manch einem Krimi Dinner oder oder einem historischen Essen her kennt.
Wie sieht das Restaurant aus?
Ein Vorhang mit einem überdimensionierten und leuchtenden „Stories“-Schriftzug trennt die Garderobe und den Empfang vom Vorraum. Am Empfang bekommen die Gäste einen goldenen Schlüssel mit einer Spielkarte ausgehändigt. Dieser hat mehrere Funktionen an dem Abend.
Nach dem Passieren des Vorhangs befinden sich die Besucherinnen in einem in Grün gehaltenen Raum. Vögel zwitschern, Pflanzen und Gartenmöbel erinnern an eine Gartensituation – an die Gartensituation. Zwei Statuen sind rot beleuchtet. Hier gibt es für alle einen Aperitif und einem Gruß aus der Küche. Das könnte vergleichbar mit dem schönen Garten sein, in den Alice in den ersten Kapiteln versucht zu gelangen.
Der Spiegelsaal wurde für dieses Restaurant komplett neu eingerichtet. Es gibt Sitzgelegenheiten für zwei, vier und sechs Personen. Insgesamt passen pro Abend 80 Menschen in den Saal. Der Spiegelsaal ist zu Beginn in einem Rot-Ton gehalten, komplementär zur Farbe im Vorraum. Die Situation ist eher dunkel romantisch beziehungsweise gemütlich. Es gibt dezent Pflanzen im Raum und als Deko stehen große Kerzenstumpen auf antiquarisch anmutenden Büchern. Auf jedem Tisch steht eine Spielkarte mit der Nummer des Tisches. Hier darf man sich an den Schlüssel mit der Spielkarte erinnern.
Das Essen
“I’m not crazy, my reality is just different from yours.”
GrinseKatze, Alice im Wunderland, Lewis Carroll
Das Menü, bei dem es immer etwas zu entdecken gibt, ist kreativ-verrückt und inspirierend. Wem das zu abgedreht scheint, dem sei das Zitat „Ich bin nicht verrückt, meine Realität ist einfach anders als Deine“ von der Grinsekatze ans Herz gelegt.
Die Speisen gibt es in einer Fisch-/Fleischvariante und einer Vegetarischen. Die Küche hat einen hohen Anspruch auf die Qualität der Speisen und die Einbettung in die Geschichte von Alice. Das Essen war toll und überraschend. Hier möchte ich nicht zu viel erzählen, denn sonst würde ich Spoilern und eine Menge der Überraschung vorweg nehmen. Wer die Geschichte von Alice im Wunderland kennt und noch parat hat, wird hier einiges zu entdecken haben.
Es empfiehlt sich das Buch vielleicht vorher noch einmal ins Gedächtnis zu rufen oder noch einmal schnell zu Lesen. Meine Begleitung hat die Geschichte zum Glück präsent gehabt und konnte mir die wichtigsten Elemente erzählen. Ihre Tochter liest sie gerade. Online gibt es das Buch von Lewis Carroll im Original kostenlos durch das Projekt Gutenberg: Alices Abenteuer im Wunderland. Zu Kaufen ist es in verschiedenen neu aufgelegten Varianten.
Das Vier-Gänge-Plus-Menü gibt es für 69 Euro. Inklusive Weinempfehlung liegt der Eintritt bei 119 Euro. Buchbar sind die Tickets nur über stories-popup-kitchen.de.
Wünsche/Kritik
Vermisst habe ich bei dem Wechsel der Gänge eindeutigere Übergänge. Die Musik und die Beleuchtung hat sich zwar geändert. Allerdings hat das nicht jede Besucherin gemerkt. Vieles ging im allgemeinen Gespräch mit den Nachbargästen unter.
Dem zuträglich wäre es, wenn es per Mikrofon für alle Gäste zu jedem Gang eine Einführung zum Gericht und zur thematischen Einordnung gäbe. Also eine Verbindung zur Geschichte mit drei bis zehn Sätzen zum Gericht hergestellt wird. Bei der Premiere war das so, dass es nur eine Einführung zum Essen an jedem Tisch gab. Auch dies ging teilweise unter.
Berichte über das Stories
im Spiegelsaal, Palais Prinz Carl
im Bahnbetriebswerk
- heidelberg24.de
- rnz.de
- Stories Imagefilm 2019
- Welt der Wunder: Pop-up Restaurants