Tipps & Tricks

Ich hab‘ doch nichts zu verbergen

Ein Mensch mit einem flauschigen Pulli verbirgt das Gesicht..

In Gesprächen, bei denen es um mehr Datenschutz, Datensicherheit, Überwachung und damit verbunderner Privatsphäre und Intimsphare geht, wird häufig unbedacht der Satz „Ich habe doch nichts zu verbergen“ genannt. Beispielsweise bei der Diskussion rund um den fairen Onlinebuchkauf oder Couchsurfing. Gepaart ist der Satz meist mit einer Haltung die vermittelt „ist nicht so schlimm“ oder „Du übertreibst“.

Der Verein Digitalcourage hat einen Blumenstrauß an Möglichkeiten gesammelt (Flyer), wie Du in einem Gespräch rund um Datenschutz und gegen Überwachung agieren kannst. Mit diesen Punkten kannst Du anderen schnell den Wind aus den Segeln nehmen. Denn der Satz „ich habe doch nichts zu verbergen…“

01. Diese Annahme ist falsch

Oder warum machst Du die Klotür hinter Dir zu?
Jeder von uns hat ein individuelles Grundbedürfnis nach Privatheit und Privatspäre. Hier hilft nur der sinnvolle und bedachte Umgang mit Daten und eine Einschränkung von Überwachungsmaßnahmen.

02. Es ist dämlich

Denn es missachtet den Zusammenhang zwischen Freiheit, Geheimnissen und Machtverhältnissen:
Jemand, der alles über uns weiß, kann uns sehr leicht erpressen.
Wer Kenntnis darüber hat, dass uns bewusst ist, dass alles offen liegt, kann einfach unsere Gefügigkeit voraussetzen.

03. Es ist rückwärtsgewandt

Was heute gesellschaftlich akzeptiert ist, könnte Dich morgen schon unter Druck setzen und in Schwierigkeiten bringen.
Ich hätte vor 20 Jahren nie daran gedacht, dass meine Krankenkasse einmal meine Beiträge von meinen Ernährungsgewohnheiten oder Bewegungsprofilen abhängig machen könnte!

04. Es ist geschichtsvergessen

Denn es lässt die Folgen radikaler Regierungswechsel außer Acht.
Die deutsche Geschichte zeigt, dass gesammelte Informationen über die Bevölkerung in den Händen von radikalen Regimen ein erschreckendes Missbrauchspotential entfalten.
In Vergangenheit wurden Listen von homosexuellen Menschen in Deutschland geführt. „Die von der Polizei der Weimarer Republik gesammelten Datenbestände fielen nach 1933 den Nazis in die Hände. Sie waren ein wichtiges Hilfsmittel bei der Verfolgung der Homosexuellen durch Gestapo und Kripo.“ aus Rosa Liste, Wikipedia, Lizenz: CC-BY-SA 3.0.

05. Die Aussage ist unlogisch

Es impliziert: Wenn Du etwas zu verbergen hast, hast Du etwas Falsches getan, was Du jetzt verheimlichen musst.
Das ist ein weit verbreiteter logischer Fehlschluss (Inversionsfehler):
Auch wenn kriminelle Machenschaften im Verborgenen stattfinden, bedeutet das noch lange nicht, dass alles, was verborgen bleibt, auch kriminell ist.

06. Es stigmatisiert

Denn es vermittelt, dass Du Dich einer Norm unterwerfen musst, um toleriert zu werden.
Wer „komische“ Sachen im Bett macht, Haschisch raucht oder eine Liebesaffäre hat, wird in einen Topf mit Kriminellen geworfen.

07. Es ist unsolidarisch

Je mehr Menschen glauben, dass sie nichts zu verbergen hätten, desto verdächtiger wird es, überhaupt Geheimnisse zu haben oder Privat- und Intimshäre zu leben.

08. Es ist naiv

Eine einzelne Information wie beispielsweise Dein Geburtsdatum oder Deine Hobbies mögen harmlos sein. Jedoch konstruieren Unternehmen aus all diesen Daten zu Werbezwecken heute schon umfangreiche Profile. Damit wird Dein mögliches Verhalten vorausgesagt und entsprechend gelenkt. Das Missbrauchspotential das eine Verbindung der einzelnen Daten bietet wird maßlos unterschätzt. (Für Deinen Datensatz interessierten sich zum Beispiel Heiratsschwindler, Betrüger, Stalker*innen oder Menschen die mit sexuellen Gewalttaten auffällig wurden.)

09. Es verhindert Widerstand

Wenn Du Dein ganzes Leben offen legst und Dich damit erpressbar / manipulierbar machst, wirst Du es später schwer haben, Dich gegen undemokratische oder unmenschliche Autoritäten zu wehren.
Mit einer Klinge an der Halsschlagader sinkt der Spielraum. Ähnlich ist das mit der Gedankenschere im Kopf.

10. Es ist ignorant

Geheimnisse – das wissen nicht nur Jugendliche in der Pubertät – sind entscheidend für unsere Identitätsfindung.
Gerade, um den vielen unterschiedlichen Rollen im Alltag gerecht zu werden, müssen wir selbst entscheiden, wer was wann über uns erfährt.
Beispiel: Möchtest Du, dass Dein*e Chef*in/Lehrer*in/Vater/Mutter jederzeit erfährt, dass Du wegen einer Pilzinfektion im Genitalbereich zum Arzt gegangen bist?

Ein Mensch mit einem flauschigen Pulli verbirgt das Gesicht..

Dieser Text stammt ursprünglich vom Text „Moderner Mythos: Nichts zu verbergen?“ ab.
Ich habe Ergänzungen und Änderungen an den Formulierungen vorgenommen.
Autorin: Leena Simon, Digitalcourage.
Veröffentlicht unter der Lizenz: CC-BY-SA 4.0.

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